Sturm 5


Als dann der Tag der Tage kam, da war ich über die Maßen freudig überrascht wie schön er begann. Ein phantastisches Morgenrot färbte den Himmel in ein wundervolles Pink, eines das ich noch nie zuvor gesehen hatte! Und als ich da noch stand und staunte, passierte ein zweites Wunder: Das Meer schickte eine riesige Nebelwelle, die den gegenüberliegenden Horizont aus sanften Hügeln überflutete. Die Wolke kam wie aus dem Nichts und versank vor meinen Augen wieder im Meer! Ich hätte Luftsprünge machen können, so schön war die Welt!

Dann erwachte auch Dingsbums, sah sich das ausklingende Spektakel gelangweilt an, gähnte und sagte: Es wird Zeit, daß wir frühstücken - unser Boot geht in einer Stunde!“ Ich schwelgte noch lange unter dem wundersamen morgendlichen Eindruck, dann bereitete ich mich auf eine lustige Fahrt übers Meer, zu den malerischen Inseln vor, an die ich noch lange denken sollte. Dann sah ich es, das stattliche Schiff im Hafen von Tropea. Es konnte 300 Passagiere aufnehmen, hatte ein dekoratives Oberdeck und eine Aussichtsetage mit gebogenen Glasscheiben.

Als wir uns dem Schiff näherten bekam ich eine Gänsehaut. Es war als zöge eine fremde Kraft den Troll in mir wieder zurück, in unsere Feriensiedlung, zu Giorgio und meinen neuen Freunden, die natürlich, weil unser Ausflug wohlweislich von Dingsbums geheim gehalten worden war, nicht mitgekommen waren. Aber ich konnte nicht mehr zurück! Zögernd blieb ich noch ein Weilchen stehen als die andern schon alle eingestiegen waren. Vorsichtig berührte ich die Bordwand des Schiffs und versuchte das Schicksal, welches sie in sich barg, aufzuspüren.

Da zuckte ein „elektrischer Impuls“ aus dem Rumpf des großen Bootes in meine Hand, fieberte meinen rechten Arm hoch und entlud sich schließlich im Gehirn als eine dunkle Ahnung voller Angst. Ich sagte Dingsbums ich würde gerade das Schiff befragen...sie lachte laut und fragte mich: „Was sagt es denn so?“ Ich erwiderte einigermaßen beherrscht es hätte „Wir werden ein Inferno erleben“ geäußert. Damit hatte ich voll ins Schwarze getroffen. Dingsbums hielt sich vor lauter Lachen den Bauch!

Denn inzwischen war ein herrlicher Tag angebrochen – wie geschaffen für einen Ausflug übers Meer, zu den, im Dunst flimmernden Zielen, die ganz besondere Eindrücke versprachen. Und der Tag enttäuschte uns nicht! Wir schwebten, wie auf schwankenden Wolken, über das Wasser den Orten erwarteter Glückseligkeit zu...und schon das erste Eiland begeisterte mich über die Maßen. Ich kam kaum mit dem Fotografieren und Filmen nach. Überall spürte ich die schönsten Motive auf und bald hatte ich den elektrischen Impuls vergessen, der mich eindringlich warnte.

Doch schon auf Lipari wurden meine Schritte schwer wie Blei. Dort gab es einerseits viele Treppen, die zu köstlichen Sehenswürdigkeiten oder lauschigen Bars führten und andererseits hörte ich auf einmal die Stimmen Verstorbener. Unsichtbare Hände versuchten mich festzuhalten: „Bleib an Land!“ sagten sie und wirklich, ich spielte mit dem absurden Gedanken mich hier, mitten im Mittelmeer, als Künstler niederzulassen und nie wieder deutschen Boden zu betreten... Darauf erwachte ich wieder benommen aus meinem Wachtraum und kehrte zur Tagesordnung zurück.

Dingsbums nahm das Leben ausnahmsweise federleicht. Ihr dämlicher Troll ging zwar immer schlurfender neben ihr her. Aber er stützte ihre Schritte auf den Stufen, treppauf, treppab, denn sie war alles andere als trittsicher, er beschütze sie, wie es ihr gefiel und er dachte im Augenblick sicherlich nicht an die beiden Grazien, Masrorie und Hichtmeld, die, weit außerhalb von Dingsbums' Gesichtsfeld nach Zerstreuungen suchten, die ihrer Perversion entsprachen: um fremde Männer herum zu scharwenzeln.

Dann ging's wieder zurück aufs Boot und weiter nach Vulkano, wo sich nackte Leiber im Schwefelschlamm wälzten um von gewissen Krankheiten zu genesen, oder auch nur, damit sie das auch noch erlebt hatten. Überall stank es durchdringend. Dingsbums mit ihrem hochempfindlichen Geruchssinn litt sehr darunter, während sich ihr Troll am Anblick der weiß gestrichenen Leiber erfreute, die immer wieder im Blubber des, von der grellen Sonne erhellten Sumpfes untertauchten. Das sah aus als wären antike Statuen lebendig geworden.

Als Nächstes lockte Stromboli mit seiner seltsamen Ausstrahlung, die mich, den Troll, ein wenig an das Flair des Tores zur Unterwelt erinnerte. Gerne hätte ich Zerberus gestreichelt, aber leider konnte wir nicht landen, denn der Kapitän berichtete über Lautsprecher von ungünstigen Strömungen, die im Augenblick den Naturhafen der Berginsel unpassierbar machten. Das Ausflugsboot schwankte nun ein wenig mehr und etwas Gischt der langsam größer werdenden Wellen traf meine Filmkamera, als ich in der erste Etage an der Reling stand.

Plötzlich erreichte mich offensichtlich der Hilferuf eines mir unbekannten Trolls von der anderen Seite des Italienischen Stiefels, aus dem Ionischen Meer. „SOS! Ist da noch jemand“ hörte ich ungläubig. Und dann noch „Wir sind in Seenot! Wo sind die Trolle der Welt – ich brauche eure Hilfe...SOS!“ Kurz darauf wurde die Gedankenbrücke unterbrochen, Denn auch im Thyrrenischen Meer brach der Sturm los. Ich spitzte die Ohren und was ich hörte beruhigte mich nicht. Von uns aus gesehen, hinter der Stiefelspitze war ein Boot mit ebenfalls 300 Passagieren unterwegs!!

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  18

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  18"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  18

Autor: Kathleen   Datum: 06.09.2022 15:27 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,

das hast du ausgesprochen gut geschrieben. Echt spannend und lustig zu lesen. Bin mal gespannt, wie es weiter geht.

Liebe Grüße

Kathleen

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  18

Autor: Alf Glocker   Datum: 06.09.2022 16:03 Uhr

Kommentar: Ich danke dir leibe Kathleen!

Liebe Grüße
Alf

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  18

Autor: ulli nass   Datum: 07.09.2022 21:55 Uhr

Kommentar: Das gefällt mir Alf. Bin gespannt . . .
ulli

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  18

Autor: Alf Glocker   Datum: 08.09.2022 7:42 Uhr

Kommentar: Dank dir Ulli!
Alf

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